Die Siedlung Meienegg ist die erste genossenschaftlich finanzierte Wohnsiedlung Berns und auch heute noch in einem guten Zustand. Das Frühwerk des Architektenpaars Hans und Gret Reinhard fand bereits zur Bauzeit landesweit Beachtung. Prototypisch wurde hier geplant, was Stadtplanerinnen und Stadtplaner heute noch anstreben: günstige Wohnungen, eine gute soziale Durchmischung, eine hohe Nutzungsvielfalt und lebenswerte Freiräume für alle. Das Inventar schützenswerter Ortsbilder der Schweiz (ISOS) verleiht der Siedlung das Prädikat «von nationaler Bedeutung». Ebenso deutlich empfahl die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege EKD, das Ensemble aufzuwerten: Die Meienegg habe alle Qualitäten, um als «schützenswert» eingestuft zu werden. Die Stadt Bern kam dieser Forderung jedoch bei der Revision des Bauinventars 2016 nicht nach.
Trotz der eindeutigen fachlichen Einschätzung droht einem Grossteil der Siedlung der Abbruch. Die Stadt Bern und die Fambau-Genossenschaft als Eigentümerin möchten die Siedlung «verdichten» und drei Viertel der Häuser durch vier- bis sechsgeschossige Wohnblocks ersetzen. Nur wenige der aktuellen Bewohnerinnen und Bewohner werden sich die merklich teureren Mieten im Ersatzneubau leisten können. Ein Abbruch würde deshalb unweigerlich zur fortschreitenden Gentrifizierung der Stadt beitragen. Vor dem Hintergrund, dass die Meienegg auch heute noch eine gut funktionierende Siedlung mit überdurchschnittlich hoher sozialer Dichte ist, eine äusserst bedauerliche Entwicklung.
Als Zugeständnis an die Denkmalpflege hat der Gemeinderat entschieden, vorerst einen Drittel der Siedlung stehen zu lassen. Eine Lösung, die keine Seite zufrieden stellt. Die Siedlung ist als Ensemble wertvoll und soll als solches erhalten bleiben. Der Schweizer und der Berner Heimatschutz teilen die Haltung der Denkmalpflege und engagieren sich für den vollständigen Erhalt der Meienegg. Der Heimatschutz ist überzeugt, dass es Möglichkeiten gibt, die Siedlung sorgfältig zu sanieren und dabei ihren Wert zu erhalten. Die historische Bedeutung der Siedlung für die Identität des Stadtteils Bümpliz-Bethlehem ist unbestritten.